Glücks-Fastenzeit

Es geht wieder los mit dem Fasten. Für viele ist es wie ein zweiter Jahresanfang, gepflastert mit guten Vorsätzen für "weniger von Wasauchimmer". Mir fällt dabei auf, dass die meisten immer einen etwas gequälten Blick haben, wenn sie davon erzählen, fasten zu wollen. 

 

Interessanterweise wird die Fastenzeit wird auch Passionszeit genannt, da wir in jenen 40 Tagen dem Leiden und Sterben von Jesus Christus gedenken. Fraglich, was die Gedanken so machen, wenn man ständig Hunger hat und alles, worauf man verzichtet, unerträglich anziehend wirkt. Passion wiederum heißt soviel wie leidenschaftliche Hingabe, eine starke Neigung zu etwas haben. Aha?! Wie geht das denn zusammen, bitte?

 

Jedoch fasten, um mal wieder auf's Wesentliche in sich zu kommen, Gedanken zu sortieren und Abstand von Massenkonsum jeglicher Art zu haben, finde ich einen wunderbaren Ansatz. Sterben und vor allem Leiden muss jetzt nicht unbedingt sein. Wenn ich persönlich schon mit dem zermürbenden Gedanken an Leid & Verzicht in die Fastenzeit starte, habe ich bereits versagt, bevor es richtig losgeht. 

Im Evangelium nach Lukas, Kapitel 4 heißt es: "Erfüllt vom Heiligen Geist verließ Jesus die Jordangegend. Darauf führte ihn der Geist vierzig Tage lang in der Wüste umher und dabei wurde Jesus vom Teufel in Versuchung geführt. Die ganze Zeit über aß er nichts; als aber die vierzig Tage vorüber waren, hatte  er Hunger!" Ach was, echt? 

 

Ich traue mich mal, Lukas ein wenig auf "heute" und in meine Welt zu übersetzen:

Nehmen wir an, ich bin mehr oder weniger erleuchtet und erfüllt von Intuition (dem higher self, dem universellen Denken, dem absoluten Bauchgefühl, dem heiligen Geist, welche Namen haben wir noch?).

Das trägt mich ne ganze Weile durch karge und rare Lebenswüste, denn ich kenne meine Bestimmung, meine Vision in dieser Welt. Also folge ich dieser Intuition...motiviert, echt gut gelaunt und voller Aufmerksamkeit. Ziemlich lange sogar.

Doch am Wegesrand warten ständig Prüfungen und Versuchungen auf mich.

Düstere Gestalten, die mir einreden wollen, dass meine Intuition für die Katz ist, reine Fantasterei, fernab jeglicher Realität.

Teufel, die mir weismachen sollen, dass das Leben kein Zuckerschlecken ist.

Diabolisches Gedankengut, das mich zurückwerfen soll in Lethargie, Resignation und die Komfortzone, die es mir immer so einfach macht, mich zu beklagen, aber nicht aus dem Quark zu kommen. Und damit der Dreiklang aus Körper, Geist und Seele vollständig bleibt, säumen wir das ganze dann noch mit Verführungen aus achtloser Nahrung, reichlich Alkohol und wilden Medien.

Und wenn es vorbei ist - also die 40 Tage - dann bin ich durch. Hungrig, etwas entkräftet, aber eben durch mit dem Thema Sorgen, Ängste, Stress, Zweifel. 

Mann, was wäre das für eine grandiose Aussicht, nur 40 läppische Tage die Frequenz hoch zu halten, um dann attestiert zu bekommen: "Das war's. Du bist raus aus dem schlechte-Gedanken-Schneider! Dir kann ab sofort keiner mehr was und Du Dir selber auch nicht. Viel Spaß noch beim Lebenrocken, Servus!"

 

Hmmm.... geht diese Rechnung denn auf? Alles im Leben hat seine zwei Seiten, heißt es. Und wo Verführung und Versuchung in Form eines bad mindset den Weg beschwerlich machen, ist es uns erlaubt, auf der anderen Seite Klarheit, Bewusstheit und jegliche Form von Erfolg und Glück zu empfinden. Wie fühlt sich ein Erfolg aber an, den man geschenkt bekommt? Wie kann man Glück, Zufriedenheit und jede Art von Reichtum wertschätzen, wenn man nicht auch weiß, wie es sich anfühlt, knietief in der S...... andgrube einer Gedanken- und Gefühlswüste zu stecken?

Ich kenne absolut niemanden aus meiner Gilde, der nicht seine "Lehre" verbreitet, ohne vorher schonmal "durch's finstere Tal" gewandert zu sein, mich eingeschlossen. Fast alle, die ich aus der Coaching- und Propheten-Ecke kenne  (und viele andere), hatten mindestens einmal im Leben schon ihre ganz persönliche Fastenzeit. Das "Glücksfasten" gehört einfach zum Leben dazu. Wie tragisch und tief das gehen kann, ist dann eine sehr individuelle Angelegenheit. 

 

Wer nun vielleicht die 40 Tage ab heute nutzt, um jeden Tag ein paar Minuten sowohl die leidvollen als auch die glücklichen Zeiten wert zu schätzen, für den ist dann eventuell der restliche Verzicht gar nicht mehr so schlimm. Denn er oder sie erkennt, dass das Leben in Summe wahrscheinlich ein einziges Wechselspiel aus Fastenzeit und Fülle ist. Nicht umsonst werden diese 40 Tage eingerahmt von Festivitäten.  Und mit einer Aussicht auf Omas dicken Osterschinken und aktuell "noch-leicht-Einen-sitzen-haben" vom Fasching hätte Jesus sicher die Zeit auch etwas spaßiger ertragen. 

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